Mittwoch, 24. März 2010

Scheiß Drauf (Teil 10)

Kapitel 15

Ich war in einem der früheren Kapitel auf die Umstände eingegangen, unter denen ich Sven kennen gelernt hatte. Und dass er sich irgendwann meinen Kühlschrank vornahm. Das war zu der Zeit, als ich meine erste eigene Wohnung hatte. Eine herrliche aber auch äußerst anstrengende Zeit. Anstrengend deswegen, weil ich ja nach meinem Abi auch irgendwie Geld verdienen musste und gleichzeitig aber auch das pralle selbständige Leben genießen wollte. Und das nicht zu knapp.
Von Spiritualized gibt es eine Textzeile, die sich mit der Heroinsucht des Sängers beschäftigt: "There‘s a hole in my arm where all the money goes!“ Nun, bei Sven und mir - und all meinen anderen Freunden und Bekannten - gab es nicht das Loch im Arm sondern das Loch im Kopf, wo wir unser Geld rein schmissen.
Ich war nun nicht ständig stramm aber im Grunde ging es, wer auch immer in meine Wohnung kam, nur um eins: saufen und ausgehen, saufen und Musik hören oder saufen und Video. Naja, es kam auch vor, dass es ums Poppen ging. Aber das ist ja grundsätzlich nicht schlecht. Ich hatte auch mittlerweile wieder ein entspanntes Verhältnis zu den Mädels und zum Sex. Übung macht den Meister. Wie überall.

Sven hatte ebenfalls seine eigene Wohnung in einem Studentenwohnklo in Langenhorn. Und obwohl er für den nächsten Tag noch eine Klausur hinter sich zu bringen hatte, wollte er nachmittags bei einem Kaffee mit mir noch kurz abschalten. Kein Thema! Das Schweinske in der Nähe bot sich dafür an, weil ich auch ziemlichen Hunger hatte und so gingen wir also um ziemlich genau vier Uhr Nachmittags dorthin. Und wie es so ist, wollte ich zu meinem Mahl auch etwas vernünftiges trinken. Kaffee schön und gut, ich wollte ein Bier. Dies führte zunächst zu großer Enttäuschung bei Sven, der stur an seiner Moral und seinem Kaffee festhalten wollte, sich dann aber doch durch wohl durchdachte, astrein platzierte, absolut fundierte und super strukturierte Überzeugungsarbeit davon löste und auch ein Bier bestellte. Ein Bier, mein Gott, was soll da schon passieren.
Und wäre es bei einem Bier geblieben, säße ich nicht hier und würde dies alles nieder schreiben, oder?
Ich weiß nicht mehr genau, was wir alles so getrunken haben. Es waren definitiv einige Ouzos und Jubis dabei. Und ich meine mich zu erinnern, dass wir um ein Uhr Nachts als letzte Gäste gebeten wurden, doch den Betreibern bitte das Schließen des Lokals zu ermöglichen.
Klar, das haben wir auch gemacht. Und wo wir gerade so in Stimmung waren, sind wir mit einem Taxi zu Beppos gefahren. Beppos Quack war gleich wenige Schritte neben dem Logo und Svens und meine Kneipe, wenn wir keine Lust auf Musik hatten. Beppo schloss nur leider dann gegen halb drei und wir standen wiedermal vor der Kneipe. Bleibt natürlich nur das Kir. Was uns leider auch nur bis ungefähr fünf Uhr weiter half. Wie soll man denn da in Ruhe ein Bierchen trinken können, wenn die Läden alle so schnell schließen. Also, bitte!
Das trieb uns in die Schanze, wo wir aus der Roten Flora noch Dub hörten. Also rein da aber selbst die wollten schon bald schließen, so dass Sven gerade noch genug Zeit blieb, auf Klo zu gehen und ich stürzte mein Bier herunter. Aber ohne uns. So leicht bekommt ihr uns nicht nach Hause. Gegenüber, eine Kneipe, Licht. Das Golem. Ich glaube, so eine unglaublich schlechte Kneipe habe ich in meinem Leben nicht mehr gesehen. Sind auch Pleite. Schad‘ nix.
Endlich Ruhe, endlich ein Bier ohne Zeitdruck. Aber Sven muss wohl irgendwas missverstanden haben. Kaum im Raum, hing er einer Asiatin am Hals und die beiden knutschten, als gäbe es kein Morgen. Tja, blieb mir immernoch der Flipper in der Ecke, den ich auch fleißig mit Münzen fütterte. Nur leider war ich zu diesem Zeitpunkt schon so dicht, dass ich mich eher am Flipper festhielt und erstaunt den flinken Silberkugeln hinterher sah, die mit rasender Geschwindigkeit an den vermutlich manipulierten, weil viel zu langsamen Penökeln, vorbei schossen und ich nicht eine einzige auch nur einmal traf.
Der ganze Abend endete natürlich mit einer Taxifahrt nach Hause und Berechnungen nach dem Aufwachen ergaben eine Summe von so um und bei fünfhundert Mark, die in dieser Nacht den Kräften der freien Marktwirtschaft zum Opfer gefallen sind.

Vielleicht war diese Form der Freizeitbeschäftigung ein bloßer Ausdruck von Langeweile. Meine Eltern waren aus beruflichen Gründen weggezogen, meine Schwester aus familiären. Ich war der einzig verbliebene Spross in Hamburg und wucherte entsprechend unkontrolliert. Bis irgendwann meine EC-Karte eingezogen wurde.
Das Geld hatte ich zumeist mit Jo oder Sven oder auch mal irgendwelchen oberflächlichen Zufallsbekanntschaften ins Kir getragen, das sich damals noch in der Max-Brauer-Allee befand. Oder wahlweise in Plattenläden. Hiervon hatte insbesondere ein kleiner Shop in Eimsbüttel profitiert. Von seinem Niedergang konnte ich ihn aber nicht abhalten: Govi im Heußweg. Ich beginne, mich zu wundern, wie viele meiner ehemaligen Anlaufstellen mittlerweile der Geschichte zum Opfer gefallen sind... Ich werde wohl doch langsam alt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen