Samstag, 15. Mai 2010

Scheiß Drauf (Teil 18)

Kapitel 24

Auch wenn ich mich in den verschiedenen Handlungssträngen zu verzetteln scheine, muss ich doch wohl zwangsläufig mit der Story um Pat und unseren Plattendeal weiter machen.
Die ganze Northampton-Geschichte war ja zunächst nur für unser Demo-Tape, das die Plattenfirma gerne haben wollte. Ich rede immer von der Plattenfirma, als wäre das eine heilige Institution. In Wirklichkeit bin ich von der Leistung dieses Stümpers an unserer CD ziemlich angepisst. Diese Ein-Mann-Firma, die Platten ohne Gema auf den Markt wirft. Nie wieder, sage ich euch. Aber das beruht definitiv auf Gegenseitigkeit, wie die folgenden Kapitel beweisen werden.

Aber im Vorfeld war die Aufregung natürlich im positiven Sinne grandios. Hier und da gab es noch Änderungswünsche, wurden Songs über Bord geworfen, Texte jugendfrei gemacht und so weiter. Manchmal hab ich echt gedacht, der Typ ist dermaßen verklemmt. Aber vielleicht hatte auch seine Gattin als der do-minante Part in der Beziehung das letzte Wort. Wer weiß.
Die Suche nach einem geeigneten Studio war nochmal ganz interessant, da wir einfach kein passendes fanden. Also wurde flugs im Keller des Hauses ein Studio eingerichtet. Pat kam mit unserer Lieblingsfähre von Harwich und übernachtete für die Woche der Aufnahmen bei Lili und mir. Und mal abgesehen von der Tatsache, dass wir nun unsere erste CD aufnehmen wür-den, war alles andere ziemlich unspektakulär. Jeder hatte seine Zeit, um die entsprechenden Spuren zu singen oder spielen. Die anderen waren dann meist in einer Kneipe um die Ecke und abends schon so voll, dass wir die Aufnahmen gar nicht mehr hätten fortsetzen können. Pat kam eines Abends, so ziemlich zum Schluss der Aufnahmen völlig breit in den Keller geeiert. Uns fehlte aber noch ein einziges Wort, das unbedingt von einer anderen Stimme gesungen werden sollte. Und so sang Pat gewissermaßen en passant seinen Teil. Und er wusste es später nicht mal mehr. Aber es klang super.

Mit dem Mix hatte zeitlichen Gründen nichts mehr zu tun und Jo hatte wohl seine liebe Mühe, von unserem potentiell doch ziemlich ruppigen New Order-Sound zumindest noch den Hauch von Gitarrenpop zu retten. Denn dieser Stümper von Geldgeber war wohl heiß darauf, aus uns so eine Art Field Mice zu machen. Aber das waren wir einfach nicht. Wir wollten ein bisschen scheiße sein. Ein bisschen rauh und ruppig. So wie wir auch privat waren. Und so wie ich mich auch auf der Bühne aufführte.
War wohl nix. Auf jeden Fall ist die CD schal und fade geworden. Ohne Bässe, fast keine Gitarren, ein bisschen klingeling im Hintergrund. Und dafür ist Pat aus Northampton zu uns gekommen. Mir war es ehrlich gesagt ihm gegenüber ein bisschen peinlich. Aber ich will nicht zu ungerecht sein. Immerhin war da jemand, der es mit uns versucht hat.
Später hatten wir noch eine inoffizielle zweite CD erstellt, die mit neuen Songs gespickt war und fast veröffentlicht wurde. Ich dachte mir, wenn wir schon wie die Field Mice klingen, warum sollte die Plattenfirma Shinkansen - Nachfolger von Sarah Records, die diese Gruppe herausgebracht hat, nicht auch unsere CD mögen. Beim ersten Versuch schickte ich unsere reguläre CD. Die fand dort aber nur wenig Anklang. Wörtlich hieß es: "There's something missing". Genau. Der Pfiff, die Power, die Gitarren.
Aber wir hatten ja unsere Roh-Diamanten. Unsere zweite Scheibe. Unveröffent-licht, ungebrochen. Die Bullet-CD. Als ich diese CD an die Shinkansens schick-te, kam prompt per eMail eine Antwort. "I'm sure you want to know which song I like most. I'm sorry, but I really can't tell you. I like them all. And all equally!"
Hey, das war doch mal eine Antwort. Ein britisches Label, das eine deutsche Popband mag. Wow! Und sie waren bereit, sich uns live anzusehen. Dafür mussten wir allerdings in London spielen. So der Deal. Und hier ist diese Geschichte, die so voller Hoffnung begann, zu Ende. Es gab keine beschissene Location, die einer unbekannten Kraut-Band auch nur die leiseste Chance für einen Auftritt gegeben hätte. Meine Massen an eMails wurden nie, nie, nie beantwortet. Und das, obwohl Pat sich persönlich nochmal kümmerte. Keine Chance. Keine Krauts. Fucking Brits!

Kapitel 25

Ein letztes Mal.
Noch ein einziges Kapitel, um den Kreis mit der CD und den anschließenden Konzerten zu schließen. Danach werde ich euch wieder in andere Bereiche meines Lebens entlassen.

Bei allen Problemen, die ich mit der Plattenfirma hatte - ich möchte hier nicht im Namen von Jo sprechen, da lag es vielleicht etwas weniger bloß - fanden wir doch tolle Unterstützung bei den anschließenden Konzerten.
Wir spielten in der Prinzenbar in Hamburg, dann in Halle in irgendeinem Schuppen direkt an der Saale und in Berlin. Wie der Laden dort hieß, weiß ich auch nicht mehr. Das nennt man Verdrängung, sagt Lili. Die ist Diplom-Psychologin und muss es ja wohl wissen. Ich nenne es Schwerpunkte setzen.
Das Prinzenbar-Konzert war so la-la. Ganz nett. Pat war unsere One-Man-Vorgruppe und wir spielten unser Set herunter. Viel zu aufgeregt, um gut zu sein. Aber es war illustres Publikum dort. Doch wirklich. Andere Hamburger Bands, Presse, andere Plattenfirmen... Cool.
Richtig geil wurde es in Halle. Ich bin den Bus gefahren, die Sonne knallte, wir hörten Portishead, Jam, Garbage. Als wir ankamen, gab es Schnittchen und Pils. Alles gratis! Dazu pralle Sonne, tuschelnde Ossi-Mädels, die auch noch so aussahen, und aberwitzig gut gelaunte Bandmitglieder. Ach ja, Pats Freundin Kathie war als Sängerin auch mit dabei. Dazu noch Nikki, unser zweiter Gitarrist.
Das Konzert war klasse. Vorgruppe, johlendes Publikum, geilstes Wetter und Jägermeister für eine Mark. Locker dreifache Jägermeister! Dies führte mal wie-der dazu, dass Jo und ich nicht gehen wollten, als der Rest der Baggage ins Bettchen bei Freunden wollte. Es kam zu einer handfesten Zankerei mit dem Weichei von der Plattenfirma, einem Vertreter der alkoholfreien Band. Er warf uns vor, asozial zu sein. Woraufhin ich ihm die Phrase "antisocial's what we are from triple Jägis at the bar" widmete. Pat war bei seinem 25-Jahre-Jubiläumskonzert so frei, diese Phrase in eines seiner Lieder einzubauen. Danke dafür.
Alles endete damit, dass Jo und ich weiter feierten und dann im Tourbus über-nachteten. Für mich kein Thema. Schließlich mussten ja alle wieder zu uns kommen, wenn sie aus Halle weg wollten, oder? Eben! So gingen Jo und ich am nächsten Morgen noch schön durch Halle und tranken unseren Nachdurst weg. Für Jo eigentlich scheiße, weil er heute mit dem Fahren dran war.
Entsprechend genervt war er, als wir in Berlin ankamen. Der Tag fing scheiße an, vielleicht wird er ja noch besser. Arschlecken! Wir waren als Haupt-Act avisiert und sollten um zweiundzwanzig Uhr spielen. Aber alles verzögerte sich bis - glaubt es oder nicht - zwei Uhr morgens. Toll. Und unser Sound war so beschissen, dass ich mir den Techniker während des laufenden Konzerts fast gegriffen und vermöbelt hätte. Pats Gitarre schrie mir ins Ohr, Nikki hatte seine Gitarre ausgestellt, weil er sich eh nicht hören konnte. Ich konnte Jos Synthie nicht hören und verpasste meine Einsätze, Kathie sang wie es ihr gefiel, weil sie sich auch nicht hörte. In diesem Moment schmiss ich meinen Mikro-Ständer ins Publikum uns stellte mich vor die Monitor-Boxen. Und das kann nur nach hinten los gehen! Jo und ich waren uns im nachhinein einig, dass wir besser von der Bühne hätten gehen sollen. Naja, das gehört wohl auch mal dazu. Seitdem haben wir noch eine Scharte in Berlin.

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