Mittwoch, 7. April 2010

Scheiß Drauf (Teil 12)

Kapitel 17

Jo und ich hatten mit den Tagen Der Deutschen Einheit nur wenig Glück. Oder zumindest bleiben uns insbesondere zwei davon wohl bis zum Sankt Nimmer-leinstag im Gedächtnis.
Früher war es ja der 17. Juni, der des Aufstands in der DDR gedachte. Irgendwann, und das werden alle Leser wissen, gab es dann den 3. Oktober. Ja, und dabei ist es ja bislang ja auch geblieben. Jedenfalls bis die Mauer wieder aufgebaut wird. Dann wird es irgendwann einen Tag Des Himmlischen Friedens oder so geben und wir schenken den Osten den Polen. Oder wer den auch immer haben will. Vielleicht hat ja auch Österreich Interesse. Mit denen haben wir eh noch ein Hühnchen zu rupfen für ihren Gröfaz. Oder Amerika. Dann können die dort ein Disneyland draus machen.

Lange Rede, gar kein Sinn... Um bei der Chronologie zu bleiben, fange ich mit dem 3. Oktober 1990 an. Dem eigentlichen Tag Der Deutschen Einheit. Jo und ich waren abends auf dem Kiez. Heute bin ich bestimmt kein Freund dieses Pflasters mehr aber damals hatten wir gute Gründe, uns dort herum zu treiben. Heute treibt es mich dort höchstens in den Kometen. Oder zu Konzerten in der Freiheit, der Prinzenbar oder dem Docks.
Im Tempelhof legte damals ein Freund von uns auf. Musikalisch war es zwar nicht gerade unsere Linie aber der Laden und die Leute waren einfach klasse. Außerdem hatte Michel, so hieß der DJ, immer wenn wir uns dort sehen ließen, ein Einsehen und machte uns eine Freude, indem er zwischendurch immer mal wieder Sachen spielte, die uns a) gefielen und b) trotzdem in den Tempelhof passten. Ein sehr feiner Bursche und auch heute noch im Besitze unserer beider tiefen Zuneigung, wenngleich Treffen sehr rar geworden sind. Und Michel, wenn du das liest: Wir müssen mal wieder einen trinken gehen. Im Franziskaner in den Colonnaden.
An diesem denkwürdigen Tag waren Jo und ich also auf dem Kiez und um uns herum tobte das Leben, weil ja nun die deutsche Einheit und so... Wisst ihr ja.
Wir trafen uns abends bei Jo und glühten schonmal vor, bevor wir uns auf den Weg machten. Wir waren nicht wirklich blau aber ihr kennt sicherlich die Momente, wenn man plötzlich tierisch gute Laune bekommt und mal was völlig bescheuertes machen möchte. So war das bei Jo und mir und wir gingen die Kastanienallee entlang und sahen in unser Lieblingsschaufenster. In der Straße dort gibt es auch heut noch einen Tattoo-Laden. Also, ich glaube, dass er noch existiert. Ich war schon lange nicht mehr dort. Und eben dieser Tattoo-Shop - ich glaube es ist Danmark Tattoo - hatte so eine wunderbares Rosenmotiv im Fenster ausgestellt und es kostete damals nur fünfundzwanzig Mark. Ein echtes Schnäppchen. Ein paar Jahre später lag der Preis bei fünfzig Mark. Heute vermutlich bei dreißig Euro oder so. Leider waren Jo und ich zu dem Zeitpunkt bereits ziemlich blank und so schoss uns die Idee in den Kopf, Michel könnte uns ja eventuell etwas leihen. Was er auch tat. Allerdings in der völlig irrigen Annahme, wir würden das Geld für den kurzen Rausch des Alkohols benötigen. Nichts dergleichen, lieber Michel. Wir legten es in etwas an, was uns noch heute begleitet und worüber ich mich auch heute noch freue. Ich habe es nie bereut, mir diese Rose zu gönnen und trage sie voller Freude auf meinem linken Oberarm. Nicht, dass ich mich jetzt besonders rebellisch fühlte aber es war damals echt noch ziemlich zwielichtig.
Jedenfalls saßen Jo und ich in dem Tattoo-Shop und ließen uns dieses Ding verpassen. Jo redete die ganze Zeit auf den von uns beiden sichtlich genervten Dienstleister ein, weil er wohl eine gewisse Ähnlichkeit mit Ron Williams besaß. Aber die Rosen sind echt schön geworden.
Voller Stolz sind wir nach Abschluss der Behandlung wieder in den Tempelhof gelatscht und haben Michel angetickt und gesagt "Hey, schau mal!" und hielten ihm unsere Oberarme vor die Nase. Michel war doch einigermaßen überrascht und fluchte "Und dafür habe ich euch Geld geliehen? Ihr spinnt wohl!" Taten wir vielleicht auch, aber es ist eine geile Erinnerung.
Als wir dann den Heimweg antraten, pennte ich bei Jo. Ich weiß nicht mehr warum. Andererseits, was zog mich denn bitte nach Hause? Ich wohnte alleine und konnte schlafen, wo ich wollte! Als wir beide wieder wach waren, sahen wir uns nur an und schüttelten den Kopf. Wir konnten es noch gar nicht so recht glauben. Zumal uns wohl langsam dämmerte, dass das Bildchen nicht mit der nächsten Dusche verblasst und wir das ja irgendwie noch unseren damaligen Freundinnen beichten mussten. Lili war damals gerade in Rom und Jo zeigte es einigermaßen stolz seiner Freundin, welche ihm dafür dankbar eine scheuerte und schrie "Das ist für immer! Für immer!" - That's forever she said, that's forever she said! Lloyd Cole hatte unseren Soundtrack für den Abend schon geschrieben.
Was ich mir dann aber doch etwas anders vorgestellt habe war die Variante, wie meine Eltern es erfahren haben. Jos Onkel betrieb eine Kneipe, in der wir immer wieder unsere Geburtstage feierten. Er wusste von der Rose und meine Eltern waren zufälligerweise zu ebendieser Feier auch in Hamburg. Als wir so alle beieinander saßen, fragte besagter Onkel, was denn wohl meine Eltern zu der Rose gesagt hätten. Nichts, weil sie es ja noch nicht wussten. Jetzt wussten sie es und begeistert waren sie nicht. Ein Tattoo war eben doch irgendwie asozial für sie. Aber letztlich, was sollten sie machen. Jo hatte es einen Eltern gebeichtet und die wollten ihn zu einem Doc schleppen, um die schöne Rose weglasern zu lassen. Haben sie aber nicht gemacht und das ist auch besser. Denn auch Jo wird im Nachhinein zugeben, dass diese kleine unscheinbare Rose uns den Anschein des Verruchten gegeben hat und sie eigentlich allen Mädels gefiel, die sie dann mal zu Gesicht bekommen haben. Insofern: gut angelegtes Geld! Und auch hier könnte ich es mit einem Liedchen sagen: Aber du meine Liebst (Die schönste Rose) von Bernd Begemann oder damals noch mit der Band Die Antwort. Grüße aus Bad Salz-Ufflen! Da sind ja schon einige verschütt gegangen, sagt man. Kleiner Scherz, kleiner Insider. Müsst ihr nicht verstehen. Jo und Bernd werden ihn verstehen.

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