Samstag, 17. April 2010

Scheiß Drauf (Teil 14)

Kapitel 19

Raus aus dem Tempelhof und zurück in die Geschichte.
Der besagte andere Tag Der Deutschen Einheit war der 17. Juni 1991, zu dieser Zeit zwar nicht mehr aktuell als Feiertag zu betrachten aber ich werde ihn Ange-sichts der folgenden Geschichte einfach mal noch gelten lassen.

Ich könnte jetzt per copy and paste einfach den Beginn der Geschichte um die Rose hier einfügen, denn wie so viele bedeutende Abende fing auch dieser damit an, dass Jo und ich zunächst bei ihm und dann in der Kneipe seines Onkels einfach einen netten Abend haben wollten. Nur leider ließen wir dabei außer Acht, dass die meisten dieser netten Abende in irgendwelchen Discos endeten und wir auch wirklich niemals angemessen pünktlich ins Bett gingen, um am nächsten Tag dann auch zu arbeiten. Dieser Abend entschied sich allerdings etwas von den anderen.

Die letzten Worte, die Jos Onkel zu uns sagte, bevor wir auf unsere Vespas stiegen war "Aber ihr fahrt doch nicht mehr, oder?“ Jo beruhigte ihn dahin gehend, dass wir lediglich die etwa zweihundert Meter (alle scheinen in dieser Geschichte etwa zweihundert Meter von irgendetwas anderem entfernt zu wohnen) zu Jos Wohnung fahren wollten. Glatte Lüge!
Ohne Helm und im Stehen fuhren wir jolend den Heußweg entlang bis zum Eimsbütteler Markt, die Fruchtallee herunter, Weidenallee, durch die Schanze und dann die Budapester Straße bis zur Simon-von-Utrecht-Straße. Allein die Tatsache, dass wir bis dort nicht angehalten wurden, ist schon beachtlich.
Wenn ich hier schreibe, dass wir bis zur Simon-von-Utrecht-Straße gefahren sind, so stimmt das nur zur Hälfte. Denn die andere Hälfte, Jo, bog bereits vorher in eine Seitenstraße, um den Weg abzukürzen. Das bekam ich nur leider deshalb nicht mit, da Jo hinter mir fuhr.
Ich bog also in die Simon-von-Utrecht-Straße. Diese ist, wie alle Hamburger wissen werden, eine Einbahnstraße, die an der Budapester beginnt und zur Holstenstraße führt. Bis dahin ist auch, abgesehen vom Alkohol und dessen Begleiterscheinungen, nichts an der Fahrt auszusetzen. Ich war die Simon-von-Utrecht-Straße schon ein gutes Stück entlang gefahren, als ich mich umsah und plötzlich merkte, dass Jo verschwunden war. Ich hatte ja keine Ahnung, dass er schon abgebogen war. Also wartete ich kurz, mir durchaus dessen bewusst, dass ich ja nicht einfach zurück fahren kann, weil die Simon-von-Utrecht-Straße wie erwähnt eben eine Einbahnstraße ist. Jo kam und kam nicht und ich fing an, mir Sorgen um meinen Freund zu machen. Vielleicht hatte er ja auf der Budapester einen Unfall gehabt. Egal, ich fahre zurück. Die Ampel am Beginn der Simon-von-Utrecht-Straße war sowieso gerade rot und so kam auch kein Auto. Ich fuhr ungefähr zweihundert Meter, nein, kleiner Scherz, vielleicht gerade mal fünfzig Meter zurück, als die Ampel umsprang und die Autos losfuhren. Ich fuhr also mit dem Roller auf den Fußweg als ich auch schon das Elend kommen sah: Ein Streifenwagen hielt direkt auf mich zu und die Herren baten mich höflich zu einem Gespräch. Ich weiß nicht, vielleicht haben sie den Sprit gerochen oder ich konnte nicht mehr richtig stehen oder sprechen, auf jeden Fall bekamen sie mit, dass ich stramm war und ich durfte pusten. Tja, und das war es dann mit meinem Führerschein. 1,1 Promille.
Und in meinem Brausebrand machte ich mir immer noch Sorgen um Jo und bat die Polizisten, sie mögen doch mit mir suchen. Ich bedachte dabei leider nicht, dass sein Lappen auch weg wäre. Insofern hatte er echt Glück, dass er nicht auf mich gewartet hatte. Der Tempelhof, unser Ziel, hatte nämlich geschlossen und Jo war nach kurzer Wartezeit wieder in Richtung Heimat gefahren. Nicht ahnend, wie es a) mir gerade erging und b) fast um seinen Führerschein bestellt gewesen wäre.

An der Wache wartete ich, mich meinem Schicksal ergebend und doch alkoholbedingt fröhlich, auf einen Arzt, der mir Blut abnehmen sollte. Ich durfte die Wartezeit mit einem Anruf bei Jo verkürzen. Tatsächlich ging er ran und auch er hörte sich nicht so besonders gut an. Das Telefonat verlief in etwa so:

- "Jo, ich bin’s!“
- "Hey, wo bist du? Ich hatte eine Weile gewartet. Aber als du nicht kamst, bin ich wieder los gefahren. Der Tempelhof hatte eh zu.“
- "Ich sitze gerade an der Polizeiwache.“
- "Was?“ - Pause - "Woher wissen die denn das schon?“
- "Bitte?“
- "Woher die das so schnell wissen!“
- "Was bitte?“
- "Weswegen bist du denn an der Wache?“
- "Die haben mich abgezockt!“

Ihm schien zu dämmern, dass, was immer ihm auch passiert war, mein Aufenthalt an der Wache nichts damit zu tun hatte. Und so erzählte ich ihm, was mir in der Simon-von-Utrecht-Straße widerfahren war und dass Mersey, meine kleine Vespa, (oder auch gern Kai-Uwe genannt - entliehen einem Lied der Zimmermänner) allein auf der Tanke in eben dieser Straße stand.

Wieder Pause, dann irres Gelächter auf der anderen Seite des Telefons. Jo erklärte mir nun, warum er zunächst so panisch reagiert hatte, als ich ihm von meinem Aufenthalt an der Wache erzählte:

- "Das ist ja geil...“ - Jos Mindermeinung.
- "Naja, geht so“ - meine Meinung und herrschende Ansicht.
- "Ich hatte einige Minuten gewartet und als du nicht kamst, war ich los gefahren.“ - soweit kannte ich die Geschichte ja.
- "Soweit kenne ich die Geschichte ja.“

Jo ist, um Zusammentreffen mit Streifenwagen zu vermeiden, auf Nebenstraßen nach Hause gefahren. Die Strecke fuhr er anscheinend immer dann, wenn er etwas getrunken hatte. Also immer. Und er kannte diese Strecke deswegen auch wie sein Handschuhfach am Roller.
Leider war in dieser Nacht irgendetwas anders. In der Emilienstraße befand sich derzeit eine kürzlich eingerichtete Baustelle, die Jo eben noch nicht kannte und darum ignorierte er auch derob aufgestellte Warnschilder, Umleitungszeichen, Absperrbaken... Selbst diese Holzlatten durchbrach er, in der Annahme, sie seinen sicherlich falsch aufgestellt worden, weil hier noch nie eine Baustelle war.
Die letzte Holzlatte war aber leider die, die unmittelbar vor der Baustellengrube aufgestellt worden war, um unvorsichtige, ignorante und angetrunkene Rollerfahrer vor Unheil zu bewahren. Jo merkte nur noch, dass die Latte splitterte und plötzlich der Hinterreifen extrem beschleunigte und zwar deswegen, weil keine Straße ihm Widerstand bot. Jo flog mit Mary Jane. So hieß seine Vespa, wenn gleich ich sie immer passend zu Kai-Uwe Stephan nannte. (Zimmermänner-Lied... et cetera) Der Flug war kurz und Jo und Mary Jane wurden locker zwei Meter tiefer von einem Sandhügel verhältnismäßig sanft aufgefangen. In dieser Grube musste Jo wohl beinahe anderthalb Stunden zugebracht haben bei dem Versuch, Mary Jane zu befreien. Mitten in der Nacht und mit Vollgas schob er Zentimeter für Zentimeter sich und seine Mary Jane den Sandhügel hoch, so dass er irgendwann aus der Grube klettern und den Roller heraus ziehen konnte.
Jedenfalls war Jo irgendwann völlig erschöpft, ausgenüchtert und verdreckt zu Hause angekommen und gab dem Tag vermutlich gerade noch eine fünf. Doch dann klingelte sein Telefon und ich war dran...
Jo hatte - meiner Meinung nach völlig berechtigt - fest damit gerechnet, dass aufgeregte Anwohner die Schmiere angerufen hatten, diese mich irgendwo aufgegriffen hatten und ich jetzt an der Polizeiwache saß. Was ich damit zu tun hätte haben sollen, also, warum ich nun ausgerechnet an einer Wache sitzen sollte, dass passte noch nicht so recht in seine Gedankengänge, aber den logischen Bruch schien er zu akzeptieren, zumindest in seiner ersten Panik. Oder wurde ich vielleicht gerade gefoltert, um Jos Adresse heraus zu geben?

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