Samstag, 6. Februar 2010

Scheiß Drauf (Teil 1)

SCHEISS DRAUF
(von mir)
COPYRIGHT - hier liegen auch alle Rechte!!!

Vorwort des Autors

So manche Leser werden glauben, dass Nick mein alter ego ist. Doch ich glaube, darauf hinweisen zu müssen, dass dies nicht ganz den Tatsachen entspricht. Mein Leben verlief zwar in weiten Teilen ähnlich, allerdings bleibt die Geschichte die Geschichte von Nick, und sie bleibt fiktiv. Ich hoffe, hiermit die Fragen nach der Authenzität ausreichend beantwortet zu haben.

Und wer sich vermeintlich wiederzuerkennen glaubt, dem sei gesagt, dass er nur ein Zerrbild von Nicks Wirklichkeit ist. Es sind hier nicht die Geschichten, die wir miteinander erlebt haben. Es sind die Gefühle und Erinnerungen oder Vorstellungen, die Nicks Geschichte schreiben. Und wer sich angegriffen fühlt, der hat sicherlich seine Gründe dafür und hat es ebenso sicher verdient.

Die Menschen, die mir teuer sind, werden mir immer teuer sein. Die Menschen, die ich liebe, liebe ich mit inniger Hingabe und unabhängig von den jeweiligen - möglicherweise widrigen - Umständen.


Vorwort des Protagonisten - das Buch (Buch 1?) beginnt.

Immer, wenn ich abends im Bett liege und eines meiner mittlerweile unzähligen Bücher verschlinge - anders kann man es nicht ausdrücken, denn wenn ich mal angefangen habe und das Buch gefällt mir, höre ich nur auf, wenn meine Augen schmerzen - denke ich, "das kann auch einer, der im Pur-Land lebt!“

Immer lese ich von Menschen im wunderbaren Pop-Himmel-Land Großbritannien. Da treffen sich Leute in Manchester, während sie Oasis oder New Order aus den Boxen hören. Ich war nie in Manchester, wohl aber London oder Glasgow (ich schmeiße mal alle Briten in einen Topf - getrennt wird später)... Ich war schon in diversen britischen Städten und kenne das eine oder andere Pub, in dem ebendiese Musik Wirklichkeit wurde.

Hier in den Kneipen hört man - entschuldigt, wenn ich den Namen erwähne - Celine Dion oder noch schlimmeres - wie den Superstar-Superloser Alexander. Da kommt es einem einfach hoch.

Und noch was: diesen ganzen Kram schreibe ich nur für mich. Und wenn ihr das zufälligerweise lest, dann bedeutet dies a) ihr habt in meinem Notebook geschnüffelt oder b) ich habe einen Verleger gefunden, der für meine Ergüsse Geld zahlt...

Wie dem auch sei... Ich bin 36 Jahre alt, verheiratet und stehe auf Musik. Und damit meine ich, ich stehe wirklich auf eigentlich sonst nichts... außer, naja, auf das, worauf alle Männer stehen... Sex, zu dem ich mich später noch auslassen werde. Und natürlich lesen, wenn nichts anderes von dem eben erwähnten erreichbar ist. Aber eine Sache kann mich überhaupt nicht begeistern: Fußball. Und ich war und bin sehr enttäuscht, dass ich aus ebendiesem Grunde niemals Fever Pitch von Nick Hornby lesen wollte oder werde... Meinem Namensvetter, wenn man so will. Auch sein neuestes Werk 31 Songs geht mir aufgrund der Songauswahl völlig ab. Schade!

Mein Einkommen reicht aus, um eine Eigentumswohnung, eine studierende Halbtagsarbeitskraft und ein von selbiger zur Zeit zerbeultes Auto über die Runden zu bringen. Dazu eine kürzlich angeschaffte Gitarre plus Verstärker. Endlich mein eigener Herr, auch wenn das, was aus dem Verstärker kommt nicht gerade so klingt.

Ich habe in den Monaten seit letztem Sommer so circa 17 Bücher gelesen. Davon im Urlaub alleine neun, meine ich zu erinnern. Jedenfalls so um und bei. Das führte dazu, dass ich mittlerweile ganz und gar konsequent und unwiderruflich die Stories und Charaktere durcheinander gebracht habe. Ich habe jedoch nicht vor, irgendeines der Bücher nochmal zu lesen aber ihr könnt sie bei Ebay ersteigern.

Zu meinen Lieblingsautoren gehören Nick Hornby, Giles Smith, Mike Gayle und neuerdings (aus purer Verzweiflung gekauft) William Sutcliffe. Von jenem insbesondere und sehr geschätzt: Sexeck (The Love Hexagon). Wunderbar giftig, lustig, entspannt und Hoffnungen weckend auf eine gute Reise. Meine Buchempfehlung. Andere Sparten werden folgen.

Ich hatte einem Freund kürzlich gesagt, dass ich an diesem Buch schreibe und er meinte, er sei insbesondere auf die Fickszenen gespannt. Nun hatte ich in meinem Leben ausreichend solcher Szenen, aber nur die wenigsten werde ich hier erwähnen, weil es so ist, wie es ist: meist gibt es nichts Spektakuläres zu erzählen. Darum, mein Lieber, erwähne ich nur die, die wirklich saugeil oder unglaublich peinlich waren.


Kapitel 1

Ich war ein Langweiler (bin ein Langweiler, werde immer einer sein) und entsprechend groß war mein Freundeskreis. Aber eben weil ich so gar keine Interessen hatte - meine jetzigen Interessen haben sich ja erst später gemeinsam mit Pickeln im Gesicht und Haaren am Sack entwickelt - hat mich das auch wirklich komplett kalt gelassen. Ich glaube, meine Eltern haben im Stillen gedacht, ich sei etwas gestört. Jetzt können sie beruhigt sagen: Wir hatten also Recht!

Apropos jetzige Interessen: Ich möchte hier gerne anbringen, dass ich zu Hause unter unsäglicher Musik zu leiden hatte. Gott sei Dank wusste ich das damals nicht so genau, weil ich eben dazu noch keine Meinung entwickelt hatte. Das kam erst mit exakt 14 Jahren.

Meine Schwester hörte - ich kann es auch heut nach all den Jahren fast nicht glauben - Smokie! Und eine eben solche Scheußlichkeit: Genesis, und zwar nach dem Weggang von Peter Gabriel. Sonst hätte ich sie hinsichtlich ihres Musikgeschmacks zumindest dahingehend für gerade noch akzeptabel und in gewisser Weise zeitgemäß - man hörte eben Scheiße - gelten lassen. Naja, und dann kamen dazu noch die üblichen Verdächtigen wie zum Beispiel ABBA. Das jetzige Revival um die hässlichsten und schlechtest gekleideten Schweden, die nach den Wikingern je die Welt eroberten, bricht alte Wunden auf und betrübt mich. Ich möchte den Herren Wikingern jetzt nicht zu nahe treten, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie (also die Wikinger) entsetzlich aussahen und ziemlich rochen. Was aber zu der damaligen Zeit vermutlich en vogue war. Darum sei’s vergolten.

Ich muss hier auch gestehen, dass ich eine Band für ihre Coverversionen von ABBA verehre: The Leather Nun. Aber das war Mitte der 80er, als niemand außer einiger bekloppter Punkrocker (ebenfalls aus Schweden - es sei ihnen also erlaubt) an so eine Verarschung hätte denken können. Lang lebe Gimme Gimme Gimme!

Zur Ehrenrettung meiner Schwester sei noch gesagt, dass sie trotzdem eine großartige Frau ist und ich sie als Schwester wirklich liebe. Und zu meiner Ehrenrettung sei gesagt: Sie war damals größer und stärker als ich!

Aber zurück: Ich war zwar und bin wie erwähnt ein Langweiler aber dafür wurde ich nie geärgert. Dafür waren die bebrillten Langweiler besser geeignet, die auch entsprechende Zensuren lieferten. Und spätestens da konnte man mich gewiss nicht zu den Strebern und bevorzugten Opfern zählen. Ich hatte also eine im Großen und Ganzen entspannte Grundschulzeit.

Meine Eltern fanden meine Schulaktivitäten alles andere als langweilig und waren immer wieder überrascht, was für Mengen vergammelter Nahrungsmittel - vorzugsweise Bananen, oder besser gesagt Bananenbrei in schwarzer Bananenschale, und labberiges belegtes Knäckebrot - ich zusätzlich zu meinen Schulbüchern Tag für Tag hin und her schleppte. Die Stapelabfolge war: Banane unten (weil sie in der Regel in der Tasche, dem Ranzen, oder wie man früher auch sagte : Ränzel, die älteren Rechte besaß) darüber oder daneben oder überall verteilt die Knäckebrote und ganz oben dann die Bücher.

Alles hatte den gleichen muffigen Geruch nach alter Banane, so wie es in einem Mülleimer riecht. Mich hat es nicht gestört, ich las ja ohnehin nie in den Büchern.

Das gleiche Recht, was für die Banane galt, nahm ich auch mir heraus: rumgammeln. Hausaufgaben waren für mich eine Unwort. Damals hätte ich es gerne dem Institut für die Deutsche Sprache oder wie die auch immer heißen als Unwort der Jahre 1967 (meinem Geburtsjahr) bis .............. (hier muss irgendwann mal mein Sterbejahr eingetragen werden) vorgeschlagen.

Meine Eltern kamen immer mit Gesprächsbedarf von den Elternabenden zurück. Ich tat stets so, als sei ich ausnahmsweise freiwillig sehr zeitig ins Bett gegangen und als schlafe ich tief und fest. Mit schweißnassem Schlafanzug und einem Ruhepuls von circa 120 bpm.

Zu meiner Gymnasiumszeit (dazu später) stand einmal im Zeugnis: Nick hat seine Hausaufgaben fast immer gemacht. Mein Herz schwoll an und ich ließ es ab sofort wieder bleiben, Hausaufgaben zu machen. Der Satz erschien nie wieder.

Als ich oben erwähnte, dass ich keine Freunde hatte, stimmte es zwar, ich war aber trotzdem kein Außenseiter. Ich spielte nämlich Hockey und ein doch guter Teil der Mannschaft rekrutierte sich aus Klassenkameraden. Daher konnte ich auch in Zeiten größter Not zu dem einen oder anderen hingehen, um ihm ein Gespräch aufzuzwingen. Nicht, dass irgendwer wirklich scharf darauf war aber mein Vater war der Trainer und wer nicht mit mir reden wollte begab sich in die vermeintliche Gefahr, nicht aufgestellt zu werden.

Ich hätte diesen Vorteil natürlich niemals ausgenutzt aber alleine die hintergründige pure Möglichkeit verlieh mir Macht über meine Mitspieler.

Ansonsten fühlte ich mich stets eher zu den Outlaws hingezogen. Und ich glaube, das zieht sich wie ein roter Faden durch mein gesamtes Leben. Ich habe zwar nach und nach Freunde gefunden, die sozialverträglich waren, den echten Reiz macht aber der Revoluzzer aus. Auch heute noch...


Kapitel 2

Schnitt! Szenenwechsel!

Im Alter von zwölf Jahren saß ich dereinst unbefangen, unbehaart und jungfräulich in der heimischen Badewanne. Ich weiß nicht mehr, ob es nach dem Hockey war oder ob ich einfach ein abendliches Bad genommen hatte. Jedenfalls saß ich so und dachte an nichts Böses und schon gar nicht an Frauen, die mir zu dieser Zeit so fremd waren, wie heutzutage die Lust, herzhaft auf einem Stück Alufolie herumzukauen. Ich hatte Frauen bis dato nur als kichernde, nervtötende, fremdartige Menschenform kennengelernt. Sie wollten mit mir nichts zu tun haben und mir kam das nur recht. So konnte ich mich voll und ganz meinem Spiel mit Fischertechnik hingeben. Aus Lego war ich mittlerweile herausgewachsen und Playmobil war immer eine Randerscheinung geblieben.

Naja, jedenfalls saß ich dort und dachte vermutlich, wie schön es wäre, endlich dieses komplizierte Karussell mit Motor zusammen zu basteln als plötzlich... ups... der Wasserstrahl unter dem bereits eingelaufenen Wasser krachte förmlich gegen meinen Schwanz und spontan hatte ich einen unbehaarten Ständer. Nochmal... Zack... Hmmm, gar nicht so übel. Nochmal, und nochmal, mal etwas länger drauf halten. Genau vorne an die Spitze. Irgendwie musste ich dann wieder etwas Wasser aus der Wanne lassen, sonst wäre es zu einer Überschwemmung gekommen. Aber dann nichts wie weiter. Immer feste druff. Und so bekam ich, ohne damals das richtige Wort dafür zu kennen, meinen allerersten Orgasmus. Zu dem Zeitpunkt fand ich es aber einfach nur blöd, dass alles irgendwie an mir klebte und das Wasser nicht sonderlich hilfreich war bei der Entfernung. Naja, den Preis war ich bereit dafür zu bezahlen und fortan badete ich noch lieber, öfter und länger.

Und seit diesem denkwürdigen Bade habe ich versucht, es mir nahezu täglich zu besorgen. Und zwar unabhängig davon, ob ich in einer Phase der sexuellen Aktivität mit dem anderen Geschlecht war - was ja früher oder in meinem Fall später kommen musste - oder nicht. Mein Körper hat keine Entschuldigung akzeptiert. Auch eine durchgevögelte Nacht galt nicht, wenn es zu meinem privaten Showdown kommen sollte. Und weigerte ich mich einen Tag, verlangte mein Körper es am nächsten Tag zur Strafe einmal mehr.

Glaubt es oder nicht, ich habe seit vierundzwanzig Jahren fast täglich Sex. Wenn auch nur mit mir, aber dafür gründlich und frei von Effekthascherei. Zu den raren coitalen Ereignissen mit dem anderen Geschlecht werde ich kommen, wenn ich mich dazu bereit fühle.


Kapitel 3

Irgendwann waren meine entspannten Grundschultage vorbei. Endlich! Aber frei von Grundschulmief bin ich erst geworden, als ich meinen ersten echten Freund hatte. Das war etwa zur gleichen Zeit, als ich auch meinen ersten Kuss bekam, der nicht von Verwandten fremdbestimmt war sondern auf Gegenseitigkeit beruhte. Und das war nicht von meinem Freund, wie jetzt einige vermuten könnten!

Mein erster Freund war Kai. Kai war natürlich in gewisser Weise ein bei mir so hoch im Kurs stehender Outlaw. Auch für meine Eltern übrigens. Was aber weniger mit Kai als mit seiner ganzen Familie zu tun hatte. Sie waren etwas einfach und recht zahlreich. Und da schaut man ja schon mal skeptisch hin. Aber sie waren nett. Allesamt. Und dazu kam, dass Kai einen Bruder hatte, der drop-dead-cool war. Der Bruder trommelte in einer Band und hatte jede Menge Platten zu Hause. Es war alles nicht meine Musikrichtung aber immerhin hörte er etwas anderes, als ich zu Hause ertragen musste. Und außerdem hatte er da noch eine Schwester. Damals war ich nicht in der Lage, ihr Alter zu schätzen aber sie war, ich sage es mal dezent, an manchen Stellen mit deutlich mehr Körper ausgestattet. Meine erste Begegnung mit Stielaugen und einer Erektion vom hinsehen.

Dann kam der Tag, an dem ich vom Kind zum Rebellen wurde. Der Weg zum Manne war noch weit und steinig und gespickt mit Erbrochenem.

Kai und ich trafen uns bei ihm. Ich ging aus eben erwähnten Gründen immer gern dorthin. Außerdem wohnte er nur ungefähr zweihundert Meter von uns weg.

Wir trafen uns zum Musikhören. Eine für mich vollkommen neue Art der Freizeitbeschäftigung. Hinsetzen und zuhören. Und nicht einschließen und Ohren zuhalten, wie ich es von zu Hause gewohnt war.

Und jetzt haltet euch fest... Ich hörte das erste Mal in meinem Leben Musik. Der Bann war gebrochen! Bands, die mich bis heute begleiten und zu meinen absoluten All-Time-Favourites gehören. Wir hörten The Jam (Setting Sons, Sound Affects, The Gift), The Clash (London Calling) und The Who (Quadrophenia). Ich kann mich genau daran erinnern und die Kassetten besitze ich noch heute, obwohl ich mir alle Platten auf Vinyl und später auf CD und dann zum Teil auch noch als CD-Collection gekauft habe. Ich denke, damit ist das Vergehen des Kopierens auf Kassette vergeben und vergessen, oder?

An diesem Tag wurde ich zum Mod! Und in der Retrospektive ist mir dieser Tag wichtiger, als der Tag, an dem ich den ersten Sex hatte. Sex mit einer Frau, nicht mit mir.

Mit Kai lief ich in den kommenden Jahren immer und immer wieder ins Magazin, einem Programmkino in Hamburg-Winterhude, um den dort regelmäßig laufenden Film Quadrophenia zu sehen. Ich weiß von mindestens sieben besuchten Vorstellungen, denke aber, dass es wohl gut zehn waren. Und ich gebe euch genau eine Chance, zu erraten, welcher Film meine allererste DVD war...! Ja, auch so eine olle Kamelle wie Quadrophenia gibt es auf DVD. Die Menschen machen echt aus Scheiße Gold. Fünfundzwanzig Euro... Euro!!!!

Und bald hatte ich auf meiner langweiligen, modernen, fucking Öko-Schule auch einen Spitznamen: Mono-Mod. Weil ich nämlich der einzige Mod bei uns war, der auch als solcher zu erkennen war. Und wie ein echter Mod auszusehen hatte, das wurde mir ja im Lehrfilm im Magazin gezeigt.

Im Stillen hatte ich immer gehofft, dafür von ein paar Punks oder Poppern oder was weiß ich wem schön auf die Fresse zu bekommen. Das hätte mich sozusagen geadelt und ich wäre mit stolzgeschwellter Brust und blaugeschwollener Fresse in die Schule gegangen. Aber nichts passierte. Nicht mal dumme Sprüche! Außer zu Hause...

Meine Schwester hat zuerst gelacht - später zog sie sich auch stylischer an. Ihr kleiner Bruder musste ihr mal etwas vormachen. Ist doch was!

Meine Eltern fanden meine DocMartens total scheiße und meine neue Frisur auch. Dabei war meine Frisur den Frisuren der Popper gar nicht unähnlich. Sie haben sich daran gewöhnt. Kennt ihr den Film Verschwende deine Jugend? Dann wisst ihr, wie ich aussah!

Ich musste also schwerere Geschütze auffahren. Das war eindeutig nicht rebellisch genug!


Kapitel 4

Ist es rebellisch genug, die Schule anzuzünden? Oder den Lehrer mit Papierkügelchen zu beschießen? Anordnungen von Lehrern zu ignorieren?

Kommt drauf an. Macht man es heimlich oder hat man das Kreuz, den Lehrern ins Gesicht zu lachen und blickenden Auges in den Schulverweis zu rennen?

In meinem Fall hatte ich ja erkannt, dass ich mit dieser verschissenen neuen Schule und ihren nervigen Gegen Atomkraft-Button-Trägern nichts anfangen konnte. Übrigens ist diese Schule nach nur wenig mehr als zehn Jahren ihrer schäbigen Existenz Geschichte gewesen. Jetzt ist es ein Französisches Gymnasium.

Ich meine: Mal ehrlich... Da wird eine neue Schule gegründet und irgendwie müssen dort die Lehrer hin versetzt werden. Na klar. Alle anderen Schulen sind total scharf darauf, ihre besten Lehrer an diese neue Schule mit modernsten Zimmern und Ausrüstung zu schicken. Logo.

Dementsprechend krank war die Auswahl der Lehrkörper. Alkoholiker, Exzentriker, Hysteriker, Psychopathen, Ex-Bundeswehr-Angehörige... Das war schon die Creme, die uns vorgesetzt wurde. Aber ich will auch ehrlich sein. Ich habe es ihnen nie leicht gemacht und vielleicht auch nicht besser verdient.

Ein Lehrer, den wir wegen seiner rotblonden Haare und seines wallenden Bartes immer nur den Wikinger nannten, eröffnete meinen Eltern an einem der berüchtigten Elternabenden, dass ich ein Chaot sei. Strike! Ziel erreicht.

Aber ich habe die Einleitung dieses Kapitels noch gar nicht weiter ausgeführt...

Das mit den Papierkügelchen war Kleinkram und ich glaube nicht, dass irgendwer nicht irgendwann damit herum geschossen hat. Aber habt ihr auch vorher dem Lehrer zugerufen und dann die Schnipsel mit dem Lineal gegen die Tafel klatschen lassen?

Interessanter ist da trotzdem das Kleinfeuer im Chemiebereich:

Ich saß an einem Tisch direkt am Fenster des Chemieraumes. Dort saß ich gern, weil man immer direkt auf den Schulhof sehen konnte. Irgendwas war dort ja immer los. Neben mir saß mein Freund Kai.

In der Regel vermied ich es, in Räumen, in denen es keine feste Sitzordnung gab, unter dem Tisch in das Fach zu fassen. Meist griff man dabei in alte Kaugummis oder alte Popel. Ich meine, wenn es das Schicksal besonders fies meinte, dann war das Kaugummi oder der Popel alles andere als alt sondern vom Vorgänger aus der Oberstufe. Diese Sau!!!

Doch dieses Mal griff ich nicht in einen Popel sondern hielt ein volles Paket Tabak in der Hand. Ohne lang zu überlegen griff ich mir etwas Papier, knüllte es zusammen und stopfte den Tabak dazu. Das ganze brannte dann schnell ganz wunderbar unter meinem Tisch in dem Fach. Leider fiel der Qualm dann irgendwann auf, obwohl ich doch wie ein Geisteskranker den Rauch zu Kai wedelte. Jaja, so ein Freund war ich, dass ich Kai geopfert hätte! Aber es war ja völlig unsinnig, weil der Brandherd eindeutig unter meiner Seite des Tisches zu lokalisieren war.

Leider musste ich trotz einer einberufenen Lehrerversammlung dennoch mit auf die anstehende Klassenreise nach Österreich. Der Text der schriftlichen Verwarnung war ganz grob so: "Nick hat das Leben seiner Mitschüler gefährdet. Ihm müssen die Regeln des Umgangs miteinander nahegebracht werden!“ oder so. Und ich war ja noch zu jung, als dass irgendwer auf mich, den Delinquenten, gehört hätte. Dabei bin ich auch heute noch davon überzeugt, dass ich natürlich in keinster Weise meine Mitschüler gefährdet hatte. Im Gegenteil. Ich habe ihnen zu einer verfrühten Pause verholfen.

Ich schrammte knapp an einem Verweis von der Schule vorbei. Was meinen Abgang dort nur ein wenig verzögert hat.

Wie wenig Durchsetzungsvermögen die Schulleitung dann immer wieder bewies, fasziniert mich auch heute noch.

Der nächste Vorfall, an den ich mich erinnere trug sich zu, als ich mit Kai verbotener Weise zu einem außerhalb des Schulgrundstücks in der Nähe gelegenen Nur Hier-Bäcker ging. Diese Brötchen-Kette gibt es nicht mehr. Und dabei schulde ich ihnen bis heute 29 Pfennig für eine Schrippe. Es könnte ja sein, dass es so viele Schüler gab, die dort ihre Schulden hatten und sie nie bezahlten, dass die Kette daran zu Grunde ging. Vermutlich müsste ich zum Nachfolger Kamps gehen, aber ich fühle mich denen gegenüber nicht verpflichtet. Außerdem habe ich keine 29 Pfennig mehr. Ich könnte 15 Cent geben... Mache ich aber nicht.

Nun denn, wir spazierten durch das Haupttor hinaus - das durften nur Oberstufen-Schüler - und liefen direkt unserem Deutschlehrer, dem Ex-Bundi in die Arme. Strammstehen und zack zack im Laufschritt zurück. Sir, verstanden, Sir!

Tja, denkste. Wir sind doch nicht doof. Der Lehrer ging zu seinem VW-Käfer und wir drehten uns um und gingen auch. Weiter in Richtung Bäcker. Lachend über so viel Blödheit beim Lehrer und mit der Brötchentüte in der Hand kamen wir dann zum Pausenende auf den Schulhof spaziert. Wo dann auch schon der Anschiss in Lehrergestalt wartete. Natürlich hatte der Lehrer gewartet und war stinksauer.

Und jetzt kommt der Punkt, den ich nicht verstehe. Für das Lagerfeuer unterm Tisch gibt es nur eine Verwarnung und für so eine Lappalie droht die Schule mit Rausschmiss. Junge, Junge. Merkt mal was. Meiner Meinung nach waren diese ganzen Möchtegern-Pädagogen mit ihrem "Ich bin OK - du bist OK“-Scheiß sowas von überfordert mit einem kleinen pubertierenden aufsässigen Bengel, dass sie jetzt ihre wahre Fratze zeigten. Am Ende mit den Schulbuch-Ratschlägen... Und was mich auch heut noch aufregt: Mit mir persönlich wurde nie, nie, nie auch nur ein einziges Gespräch geführt. Immer nur mit meinen Eltern.

Aber dann gab es noch einen Lehrer, der echt ziemlich cool mit meiner Art umging: Herr Keil. Oder Keili, wie wir ihn nannten. Obwohl aufgrund seiner Erscheinung eine verniedlichte Form nicht gerade angemessen schien. Er war ein muffliger, dicklicher Mann mit Bart und dem bösen Blick. Aber ich glaube, hinter diesen Augen lag viel, naja, zumindest einiges Verständnis. Zumindest war er, soweit ich mich erinnere, immer ehrlich und ließ sich von uns Bengeln nicht provozieren.

Ich hatte ihn in Erdkunde und die erste Stunde ließ ich gern mal ausfallen. Nun war ausgerechnet eine Doppelstunde Erde bei Keili dran und ich war nicht da. Als ich dann zur dritten Stunde während der ersten langen Pause durch das Haupttor marschierte stand er da. Vor dem Tor. Ich weiß, dass er mich sah aber er verzog keine Miene, zuckte nicht mit den Augenbrauen und sah einfach an mir vorbei. Damit war die Strafe schon erteilt und abgeschlossen. Das war so cool, dass Keili von mir ab dann immer geachtet wurde.

Und noch ein Lehrer, dessen Name mir leider entfallen ist, hat es verdient, hier positiv erwähnt zu werden. Nicht alle Lehrer auf Hartsprung waren scheiße...

Ich hatte ein oder zwei Jahre lang Mathe bei ihm und er war ein Lehrer vom alten Schlag. Ich konnte Mathe immer gut, war aber nicht bereit, auch nur den kleinsten Finger dafür zu rühren. So kam es auch in regelmäßigen Abständen zu einem Waterloo, wenn Mathe-Tests anstanden. Diese versägte ich in aller Regelmäßigkeit mit fünfen oder sogar sechsen. Wenn aber eine Klausur anstand, dann lernte ich zwei Tage vorher - ich gelobe, länger war es nicht - und schrieb ebenso regelmäßig einsen und zweien. Ich gab die Klausuren immer als einer der ersten ab und er fragte "Gutes oder schlechtes Zeichen?“ Ich antwortete ebenfalls immer "Hab ich sie je enttäuscht?“ Er lächelte, ich bekam meine eins oder zwei. Klasse!

Irgendwann, nach einem Test, sagte er "So, es reicht mir jetzt mit Ihnen“, er siezte alle Schüler, egal ob zwölf- oder zwanzigjährig. "Sie sind so stinkendfaul und ich weiß, dass sie das alles können! Ab sofort werde ich Ihre Tests nicht mehr werten. Sind Sie damit einverstanden?“ Und ich meine, mal im Ernst, wer würde so ein Angebot ablehnen? Das hatte doch Stil!

Es gab also doch Wege, mit mir klar zu kommen. Und das war der Humor.

Mein Physiklehrer hatte einmal einen dermaßen derben Witz von sich gegeben, den ich zu der Zeit aufgrund meiner mangelnden sexuellen Erfahrung noch nicht verstand, dass ich heut noch schmunzeln muss. Er erschloss sich mir allerdings erst ziemlich spät.

Ich spielte damals Klarinette. Sogar ganz passabel. Und ich war im Schulorchester. Der besagte Lehrer war bei jeder Aufführung da und als ich mal zur Zeugniszeit zwischen vier und drei stand, da sagte er "Wer bläst kriegt Bonus!“ Ich habe das völlig selbstverständlich auf meine Leistung im Orchester bezogen und verstand daher auch nicht, warum sich meine Klassenkameraden fast bepissten.

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