Mittwoch, 17. März 2010

Scheiß Drauf (Teil 9)

Kapitel 12

Ein Jahr vor meinem Abitur hatte ich in Sport im 1. Semester Badminton und im 2. Semester Hockey belegt. Ebenso wie auch ein weiterer Schüler, den ich zu der Zeit noch nicht wirklich kannte. Er war ein Jahr über mir aber die Kurse waren gemischt. Er spielte zu der Zeit bei Victoria Hockey, ich bei Bahrenfeld. Das an sich ist noch nicht besonders ungewöhnlich.
Zu der Zeit hatten wir auch keinen weiteren Kontakt, fanden uns aber wohl ganz sympathisch und spielten beim Badminton gelegentlich gegeneinander. Er machte 1987 Abi und ich war ja ein Jahr später dran.

Als mein Abitur Anfang 1988 näher rückte, fragte mich ein Klassenkamerad, ob ich schon mal in einer Band gesungen hatte. Ich weiß eigentlich nicht, wie er ausgerechnet auf mich kam, weil ich ihn eigentlich gar nicht weiter kannte und ich außerdem eben noch nie in einer Band gesungen hatte.
Lust hatte ich ja schon und er meinte bedeutungsvoll, Jo sei auch da. Jo? Und wer bitte ist dieser Jo? Naja, sei’s drum. Klar, bin dabei! Wir wollten für unsere Abifeier ein paar Songs covern und dann auftreten.
Am 10.3.1988 trafen sich die zukünftigen ATH-All-Stars bei besagtem Klassenkameraden, der verrückt genug war, das elterliche Haus dafür herzugeben.
Jo! Klar, jetzt fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren. Der Badminton- und Victoria-Jo! Er stand da mit seinem Keyboard und dem langen Pony und grinste mich an. Daneben ein zusammengewürfelter Haufen, der niemals, never ever, passen konnte. Zwei Mainstream-Rocker, 1 Punk, zwei Popper, nämlich Jo und ich. Womit anfangen? Wie jede aufstrebende Band fängt man mit Coversongs an. Ich hatte auf dem Hinweg zur ersten Probe Lloyd Cole gehört und sagte "Ihr kennt den Song bestimmt nicht, aber hört mal rein“. Ich hatte Forest Fire vorgespielt und Jo hatte doch tatsächlich genau die Akkorde eben dieses Songs schon heraus gesucht und spielte den Song mit. Damit war es klar, dass erstens der Punk schon mal gar nicht passt, zumal dem der Synthie ohnehin schon ein Dorn im Auge war. Zitat: "Damit lassen sie dich nie in einer Punkband spielen!“ Und das war natürlich äußerst betrüblich für Jo. Und zweitens war der Song für den Mainstream-Trommler viel zu filigran. Der Gitarrist war ganz in Ordnung aber Jo und ich entschlossen uns, zu zweit unser Ding durchzuziehen.

Zu Jo möchte ich, bevor ich tiefer einsteige in unsere musikalische Zusammenarbeit noch eine kleine Anekdote loswerden:
Jo hatte in seinem Freundeskreis einen Typen, der hatte einen unglaublich dicken, langen, ja feisten Schwanz. Er schien allerdings irgendwie ein Problem damit zu haben, denn wann immer sich die Möglichkeit bot, packte er ihn aus und ließ ihn auf den Tisch knallen. Wie einen toten Aal. Überall: beim Griechen, bei Partys... Oder er ließ ihn einfach heraus baumeln, z.B. beim Schwimmen, beim Griechen, bei Partys...
Ich dachte mir immer "Ich möchte damit nicht aufgespießt werden. Die armen Frauen“. Und ich glaube, da lag auch sein Problem, denn die Frauen schienen eben dies zu denken und ließen ihn einfach nicht ran, oder wenn man so will: rein.
Da bin ich doch froh über mein Standard-Gemächt. Fest und doch weich. Und ich habe einen geilen Arsch. Schön fest und doch weich, so wie mein Schwanz. Und wohlgeformt. Ein Jeans-Arsch. Und wann immer eine Verkäuferin sagt "Darin haben Sie einen schönen Hintern“, bin ich geneigt, zu antworten "Den habe ich auch ohne diese beschissene Jeans, du dumme Nuss!“
Gesagt habe ich es noch nie. Meist habe ich mich höflich bedankt und so getan, als wäre ich eingeschüchtert und hätte ich dieses Kompliment noch nie gehört. Sie konnte ja nichts dafür, für meinen geilen Hintern.

Jo und ich versuchten uns also als Duo. Und wir hatten irgendein fieses Programm zu meiner Abifeier auf die Beine gestellt. Ich erinnere mich nur noch an drei Songs: Cry for Love von Iggy Pop und unser Opener, dazu Forest Fire von Lloyd Cole und das Lieblingslied meiner damaligen Freundin: Suzanne von Hubert Kah aber ins Englische übersetzt. An mehr erinnere ich mich nicht. Und ich wage zu behaupten "Und das ist auch gut so!“
Und Jo, der Sack, hatte natürlich einen riesigen Vorteil: er konnte seine Keksdose einfach anschmeißen und so tun, als klöppelte er live auf die Tasten. Ich durfte mich dafür in die Gefahr begeben, mich schön lächerlich zu machen. Und ihr ahnt es bereits: davon machte ich regen Gebrauch! Ich hatte mir auch noch das Schulsaxofon ausgeliehen, denn ich bin ja ein Multitalent und Multiinstrumentalist. Und als alter Klarinettenbläser war das mit dem Sax doch eine Lachnummer. Jedenfalls für die Gäste.
Wir nannten uns - noch immer auf der Suche nach einem richtigen Bandnamen - The Stramme Legastiker. Ja, schön beknackt. Aber es war ja für die Abifeier und wer wollte denn da einen tiefgründigen Bandnamen hören? Und unser Name hatte davor ein The. Das war oberste Priorität. Was danach kam war egal.

Irgendwann war dann der Abend da. Und nachdem wir alle unsere Abis ausgehändigt bekommen hatten, sollte mein Leistungskurs Musik noch etwas singen. Leider war ich schon zu breit, als dass ich mich noch ernsthaft mit dem Text auseinandersetzen konnte oder wollte. Ich hatte mein Abi und alle anderen - Lehrer wie Mitschüler - konnten mir mal den Buckel runter rutschen. Dass mein Lehrer mich ob meiner Gesangsverfehlungen beschimpfte, war mir komplett schnuppe und ich ignorierte seine Spitzen. Ich sagte ihm, er brauche sich für mein Engagement nicht zu bedanken. Was ihn komplett die Nerven verlieren ließ. Er drehte sich um und stürmte davon.
Und die Tatsache, dass ich bereits während des offiziellen Teils der Veranstaltung besoffen war, lässt für den weiteren Verlauf des Abends nichts Gutes hoffen.

Eigentlich wollten Jo und ich so gegen zweiundzwanzig Uhr auftreten. Aber alles verzögerte sich unendlich. Die Zeit spielte gegen mich und meinen Zustand. Und als dann noch irgendwann das Bier alle war, weil sich unsere Stufe so richtig die volle Breitseite gab und alle auf Korn umstiegen, weil das so mit als Einziges noch in ausreichender Menge vorhanden war, war mein Schicksal besiegelt.
Gegen ein Uhr war der Techniker dann so weit, dass wir spielen konnten. Ich war auf der Suche nach Jo. Ich hatte ihn schon geraume Zeit nicht mehr gesehen und vermutete ihn auf dem Klo beim Kotzen. Negativ. Irgendwann wankte ich nochmal in den Backstage-Bereich und sah Jo dort mit einer Klassenkameradin knutschen. Das wirklich Schöne an dem Auftritt war, dass wir beide völlig entspannt und relaxt waren. Naja, bei dem Pegel kein Wunder.

Zur Begrüßung der Schüler-, Eltern- und Lehrerschaft bepöbelte ich sie alle erstmal in bester Folke-Jensen-Ledernacken-Manier: "Ihr seid alles Proletenkacker!“ Ich dachte mir, dass wohl jeder anständig Musikinteressierte den Witz versteht. Abgesehen davon war es mir, wie so vieles an diesem Abend, völlig schnuppe. Ich konnte ohnehin nur noch circa zwei Meter gucken.
Ich glaube, ich habe aus einer Laune heraus gleich beim ersten Song angefangen, Sax zu spielen, obwohl es eigentlich erst viel später zum Einsatz kommen sollte. Leider, leider spielte ich in etwa die Noten, wie sie in dem anderen Lied vorgesehen waren - uns selbst das schaffte ich nicht - , was natürlich zu Cry for Love überhaupt nicht passte. Ich hatte später mal ein Video vom Auftritt und habe es aus lauter Scham vernichtet. Ich musste ja befürchten, dass es irgendwann irgendwer ausgräbt. Es war sowas von peinlich, dass es mir selbst alleine nicht möglich war, das Band anzusehen.
Das einzige, woran ich mich ansonsten noch erinnere ist, dass ich bei Suzanne, wie gesagt dem Lieblingslied meiner damaligen Freundin, ordentlich herzhaft ins Mikro rülpste und mich auf dem Boden herum wälzte, in der Hoffnung, es hätte was von Morrissey. Hatte es aber nicht, wie das Video bewies.

Nach dem Konzert brach ich am Bühnenrand einfach zusammen und wurde von irgendwem nach Hause gefahren. Auf der Ladefläche eines Kombis.
Das war meine Abifeier. So wie es sich gehört!

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